Diener zweier Herren

Komödie von Carlo Goldoni | Neufassung von Martin Heckmanns

Inszenierung

Andreas Merz-Raykov

Bühnen- und Kostümbild

Lorena Díaz Stephens und Jan Hendrik Neidert

Dramaturgie

Karoline Hoefer

Sounddesign

Timo Willecke

Regieassistenz und Abendspielleitung

Richard Wagner

Premiere

01.11.2018

Mit

Robert Lang | Jörg Zirnstein | Katharina Hintzen | Hans-Christian Hegewald | Alisa Kunina | Erwin Aljukic | Judith Niederkofler | Mathias Znidarec

Fotos

 

Dass es in Venedig höchst unordentlich zugeht, sieht man sofort. Jan Hendrik Neidert hat eine hölzerne Installation auf die Drehbühne gestellt, auf der man treppauf, treppab eilen kann, deren Stufen aber an manchen Stellen gefährlich eng sind und in deren Mitte sich zwei Schrägen halsbrecherisch nach unten ergießen: Jeder Fehltritt führt zu freiem Fall, alle Verhältnisse kommen hier ins Rutschen.

Natürlich ist dieser wirkungsvoll simple Bühnenaufbau vor allem dazu da, das Personal dieser hinreißenden Komödie so oft wie möglich fallen, Purzelbäume schlagen und klettern zu lassen. Alle sind in Bewegung, und auch die Bühne dreht sich immerzu, gibt den nüchternen Blick in ihre spröde Unterwelt frei.

Was Merz-Raykov zeigt, ist pure Lust an der Anarchie, am Nebeneinander nicht zusammengehöriger Elemente, Aufhebung aller Unterscheidungskriterien und Hierarchien, Karneval im allerbesten Sinne des Wortes.

Immenser Unterhaltungswert

Alles in der „Commedia dell’arte“ ist typisiert und übertrieben und natürlich ist es vollkommen unnötig, dies nun noch einmal zu übertreiben. Merz-Raykov tut es trotzdem. Das beginnt schon bei den Kostümen (Lorena Diaz Stephens), die für sich genommen kleine Meisterwerke sind. Der irrwitzig lange Spitzhut Brighellas (Erwin Aljukic), die aufgeblähte Schelmenkappe der Magd Smeraldina (Alisa Kunina) zählen ebenso dazu wie die sehr stark an einen Pudel erinnernden Puschel, die der eitle Gockel Florindo (Mathias Znidarec) zur Schau stellt. Und in der Körpermitte prangt unübersehbar die voluminöse Schamkapsel.

FAZ, 09.11.2018

"Der Regisseur Andreas Merz-Raykov schafft es, Carlo Goldonis Werk in eine gewitzte und gesellschaftspolitisch aktuelle Komödie zu verwandeln."

03.11.2018, Frankfurter Rundschau

Wer öfters ins Theater geht, bringt ja auch seine gut gepflegten Vorurteile mit. Zum Beispiel, dass Tiere nicht auf die Bühne gehören, weil sie jede Aufmerksamkeit absorbieren. Oder, dass besonders aufwendige Komödienkostüme meistens ziemlich unlustige Aufführungen erwarten lassen. Wer seine Schauspieler mit bunten Stoffen behängt, ihnen verrückte Frisuren und merkwürdige Hüte aufsetzt, hat sonst nicht viel zu bieten.

Aber Carlo Goldonis Lustspiel „Der Diener zweier Herren“ enttäuscht am Darmstädter Staatstheater solche Erwartungen aufs Angenehmste. Erstens: Pudel Paul tritt nur selten und sehr dezent auf, es gehört zu den wiederkehrenden Späßen des Abends, dass er nicht zu fassen ist. Zweitens markiert der liebevoll geschneiderte venezianische Aberwitz in den Kostümen von Lorena Diaz Stephens die Spannung, in der die Inszenierung von Andreas Merz-Raykov ihre Kraft entfaltet – zwischen der Anspielung auf die Commedia-Tradition, die auch Goldoni eher zitierte als erfüllte, und der anarchisch aufbrechenden Kraft der Fantasie, zwischen Kalkulation und Improvisation, Choreografie und organisiertem Durcheinander. 

[...] die Maschine arbeitet mit einem Tempo, das beim Zuschauen schon atemlos machen könnte. Jan-Hendrik Neidert hat dafür ein raffiniertes Spielgerüst aus Treppen und Schrägen auf die Drehbühne gestellt, das an den Schauplatz Venedig erinnern mag und dem gehetzten Doppeldiener Truffaldino Gelegenheit zu halsbrecherisch artistischen Aktionen gibt [...] 

Schon wieder ein starker Abend im Darmstädter Schauspiel: [...] Es gelingt ein unverkrampftes, sehr unterhaltsames Spiel, und eine sehr aktuelle Aufführung, nicht, weil die Übersetzung von Martin Heckmanns ein paar moderne Schimpfworte einstreut, sondern durch die Gegenwärtigkeit der Schauspieler. Als Spielmacher reagiert Truffaldino wach auf die Kollegen, die sich kraftvoll und individuell aus dem traditionellen Rahmen ihrer Figuren hinausspielen. [...] Der Applaus [ist] nach mehr als zweieinhalb Stunden sehr herzlich mit vielen Bravos.

03.11.2018, Darmstädter Echo